Arbeitshilfe

Die Kämpfer des Dorfes Qiugang

The Warriors of Qiugang
Dokumentarfilm von Ruby Yang, China, USA 2010, 40 Min. OmU

Inhalt
Rauchende Schlote, große Chemiebottiche, schwarze Wasserläufe, tote Fischschwärme. Die Pestizidfabrik Mitten im Dorf Qiugang verpestet Luft und Wasser. Das Getreide ist verseucht, viele Dorfbewohner leiden unter Krebs. Das ist gegen das Gesetz. Doch die Fabrikbetreiber machen gemeinsame Sache mit den Dorfkadern. Eine Hand wäscht die andere. In Qiugang kämpfen die Dorfbewohner einen scheinbar aussichtslosen Kampf, der tausendfach in China gekämpft wird: machtlos sind die armen und oft ungebildeten Bauern gegenüber den mafiösen Strukturen von Kapital und Macht. Wer aufsteht, wird bedroht. Die Dorfbewohner demonstrieren, doch viele von ihnen werden verprügelt. Der Bauer Zhang Gongli klagte zweimal vor Gericht, zweimal verlor er. Nichts hat sich verändert.

Doch „Die Kämpfer des Dorfes Qiugang“ erzählt nicht nur von Hoffnungslosigkeit, sondern auch von Mut und Erfolg. Da ist die Nichtregierungsorganisation Green Anhui, die den Dorfbewohnern das Rüstzeug beibringt, um sich effektiv zu wehren. Da sind die Medien, die fiktive Bittbriefe der Dorfschüler an die Stadtregierung veröffentlichen und im Internet einen Aufschrei provozieren. Und auch die Dorfbewohner fassen Mut. Der Bauer Zhang Gongli ergreift die Führung. Die Bewohner verfassen eine Petition, Groß und Klein unterschreibt. Als sie die Petition bei der Stadtregierung einreichen wollen, werden sie bedroht. Sie tun es trotzdem. Wenige Tage später weiß dort aber mysteriöserweise niemand mehr von jener Petition.

Mit Hilfe von Green Anhui machen die Dorfbewohner den nächsten – und gefährlichsten – Schritt: sie richten die Petition an die Zentralregierung. Die lokalen Kader könnten versuchen sie ins Gefängnis zu stecken.  Doch Zhang Gongli, der heimliche Held des Films, und ein Vertreter von Green Anhui machen sich auf die Reise nach Peking. Dort angekommen, nimmt  Zhang an einer Konferenz von Nichtregierungsorganisationen teil und lernt nicht nur, dass eine „NRO“ eine Nichtregierungsorganisation ist. Er lernt auch viele Betroffene kennen, die in ganz China ähnliche Probleme haben wie er in seinem Dorf. Zurück in Qiugang bekommen die Fabrikleiter plötzlich kalte Füße. Bald wird die Produktion von den Dorfkadern gestoppt. Nach Monaten weiterer Proteste ist es endlich geschafft und die Fabrik  wird demontiert. Was bleibt sind Ruinen und Abfälle; und zerstörte Herzen. Doch das Dorf und seine Bewohner haben wieder eine Zukunft. Die Jujubenwälder blühen wieder. 2012 begann die Regierung, die verursachten Umweltschäden zu beseitigen. Zhang arbeitet inzwischen für Green Anhui.
 

Würdigung und Kritik
Den Filmemachern gelingt eine konzise Analyse der Umweltproblematik in China, die weder dramatisierend noch übermäßig emotionalisierend wirkt. Der Film analysiert wie die chinesische Landbevölkerung unter den ökologischen Risiken leidet. Er stimmt jedoch nicht bedachtlos in den Chor jener ein, der diese Risiken per se als Destabilisierungstendenz für ganz China aufbauscht. Der Mikrokosmos von Qiugang verdeutlicht was das abstrakte Wort „Umweltverschmutzung“ konkret für die Bewohner eines Dorfes bedeutet. Die Zerreißprobe vor der China steht, wird von den Kämpfern Qiugangs verkörpert.
Es ist ein Lehrstück in Sachen Zivilgesellschaft. „Keiner will der erste sein“, sagen die Leute in Qiugang. Vielleicht ist das eines der Probleme der Schwachen in China. Doch mit dem Anschub von Green Anhui macht sich das Dorf auf den Weg. Seine Bewohner erfahren, dass es möglich ist, effektive Wege zu finden und seine Interessen selbst in einem System korrupter Dorfkader durchzusetzen. Gerade am Schluss des Films – auf der NRO-Konferenz – wird dies den Aktivisten sehr deutlich: Ihr seid nicht allein. Gemeinsam können wir es schaffen. Der Film ist nüchtern gehalten, lässt es jedoch nicht an Deutlichkeit mangeln. Er macht sich damit selbst zum Teil jenes Aktivismus, der die Schwachen anfeuern will. Denn seine zentrale Botschaft ist: es gibt Hoffnung, ihr könnt Erfolg haben, wenn ihr mutig seid. Er ist Signal für die vielen Leute, die mit den gleichen Problemen kämpfen.

Zugleich bleibt der Film sachlich. Der Erfolg wird nicht geschenkt. Er muss erkämpft werden. Es gibt keinen geradlinigen Weg. Die Durchsetzung des eigenen Rechts fordert viel Selbstaufopferung; und manchmal auch den Mut, (Todes)Drohungen zu widerstehen und mafiösen Strukturen die Stirn zu bieten. Sie müssen „Kämpfer“ sein. Zhang zog für sich auch die Anwendung von Gewalt in Betracht. Doch Green Anhui überzeugte ihn mit einem wichtigen Prinzip der Zivilgesellschaft: Sammle Beweise und wende Dich an die richtigen Leute. Denn Anführer müssen klug für ihr Recht kämpfen. Sie müssen Widerstand leisten, jedoch immer in Übereinstimmung mit dem Recht. Damit verdeutlicht der Film: eine Eskalation des Konflikts oder der Einsatz von Gewalt sind keine Lösung. Wenn sie die Bedrohung durch die Umweltverschmutzung abwenden wollen, dann führt das nur über den Weg des gemeinsamen Widerstandes (oder vergleichbare Maßnahmen). Der partizipative Bürger wächst in China heran. Doch vermutlich ist ein solch glückliches Ende wie in Qiugang nicht in allen Fällen zu erwarten. Nicht nur durch Krebs sterben Menschen.
Der Film zeigt darüber hinaus eine Stärke zivilgesellschaftlicher Organisationen in China. Die zentralstaatlichen Gesetze sind zwar vorhanden, werden vor Ort aber häufig missachtet. Vielen Dorfbewohnern fehlen die Mittel und Kenntnisse, um ihr Recht bei der tausende Kilometer entfernten Zentralregierung durchzusetzen. Zivilgesellschaftliche Organisationen können hier ein entscheidendes Bindeglied sein. Sie berufen sich auf die politischen Beschlüsse der Zentralregierung und binden sie damit in den Konflikt auf ihrer Seite ein. Im Film passiert dies, als Zhang Gongli aus einer Rede von Präsident Hu Jintao zur Lage der Umwelt zitiert.

Andererseits greift die Stilisierung der Zentralregierung als rettende Instanz zu kurz. Denn zwischen geschriebenen Recht und Rechtswirklichkeit klafft in China eine große Lücke. Nicht immer werden Petitionen erfolgreich eingereicht und erreichen den erhofften Nutzen. Hier reproduziert der Film eine in China weit verbreitete Sichtweise der bösen Lokalkader und der guten Zentralregierung. Das trifft in Teilen zu, doch derartiges Schwarzweißdenken unterschätzt die Komplexität der Situation: Dass etwa das wirtschaftliche und politische System den Lokalkadern immer noch die Anreize bietet, Wirtschaftswachstum höher als eine intakte Umwelt einzuschätzen. Oder dass die Umweltproblematik in ihrer gesamten Dimension gerade nicht durchdrungen wird. Weder wird klar, warum es überhaupt zu einer derartigen Umweltverschmutzung kommt, noch dass dieses Problem sehr vielschichtig ist. Die Ursachen der Umweltverschmutzung können nicht immer auf den Antagonismus zwischen Dorfbewohnern und lokaler Mafia reduziert werden. Die Schuldigen sind nicht immer so einfach zu finden. Denn die Verschmutzung ist systemischer Natur und konstitutiv für ein Entwicklungsmodell, welches dem Wachstum lange höhere Priorität als dem Menschen eingeräumt hat. Es ist nicht (nur) Ergebnis korrupter Machenschaften.
Es geht bedauerlicherweise auch nicht ganz deutlich aus dem Film hervor, dass und in welchem Maße die erstarkende Zivilgesellschaft und die kritischen Medien Errungenschaften der langsamen politischen Öffnung der letzten zwei Jahrzehnte sind. Medien wie das Internet und ein größeres Interesse des Zentralstaats an Umweltfragen bilden überhaupt erst den Kontext dieser Erfolgsstory. Die größten Stärken des Films, nämlich die spezifische Situation des Dorfes Qiugang und die persönlichen Schilderungen seiner Bewohner zu dokumentieren, münden zugleich in eine große Schwäche: Die Geschichte wird – auch wenn der Film diesen Anspruch nicht explizit stellt – nicht ausreichend zum grundsätzlichen Problem und der Komplexität der Umweltverschmutzung Chinas in Bezug gesetzt.

Das Thema, das der Film gewählt hat, ist hochaktuell. Dennoch stellt sich die Frage der Originalität. Die Umweltverschmutzung in China und die Auswirkungen auf die Bewohner des Landes sind seit Jahren bekannt. Der Zivilgesellschaft ist es bekannt, viele Dorfbewohner wissen darüber und ebenfalls die Zentralregierung. Was macht diesen Film also so besonders? Die Mischung aus Sachlichkeit und einer deutlichen politischen Botschaft sind die Stärken dieses politischen Dokumentarfilms. Menschen außerhalb von China werden von dieser Geschichte bewegt sein, vielleicht auch die Chinesen der Ober- und Mittelschichten, die in den Städten leben. Sollte die Oskar-Nominierung des Films 2011 mit zu der Entscheidung der Stadt Bengbu (zu der Qiugang gehört) beigetragen haben, die Umweltschäden nach Abzug der Fabrik mit viel Geld zu beseitigen, dann hat diese Nominierung bereits mehr bewegt als jeder Oskar-Gewinn. Für die Betroffenen ist es aber noch etwas anderes. Es ist eine Mut machende Anleitung, sich für die eigenen Rechte einzusetzen.
 

Hintergrundinformationen
Das moderne China kämpft an vielen Fronten mit Umweltproblemen. Über den Metropolen hängen Dunstglocken, die Flüsse sind siechende Kloaken und vom Himmel rieselt saurer Regen. Die ökologischen Gefährdungslagen sind die Schattenseiten des rasanten wirtschaftlichen Aufstiegs. Mit der Kurve des Nationaleinkommens entglitten auch die Kurven der Schadstoffemissionen nach oben. Bei Treibhausgasen, Schwefeldioxid und Stickstoffen belegt China weltweit den ersten Tabellenplatz.
Die Umweltverschmutzung ist keine „Begleiterscheinung“ der wirtschaftlichen Entwicklung. Der rasante Aufstieg ist erst durch die fatale Ausbeutung der Umwelt und Missachtung der Belastungen durch die Wirtschaft möglich geworden. Die billige chinesische Konkurrenz wird auch durch die niedrigen Umweltanforderungen „billig“. Die „Werkbank“ China hat schmutzige Industrien angezogen, die andere Länder nicht mehr wollten. Gleichzeitig wurde und wird die wachsende Wirtschaft mit schmutziger Kohle befeuert. Noch heute macht Kohle etwa 70 Prozent des Energieverbrauchs aus.
Aber auch an China ist die ökologische Modernisierung nicht vorbei gegangen. Unter den Entwicklungs- und Schwellenländern besitzt China eine sehr fortschrittliche und umfassende Umweltgesetzgebung – auch wenn manche Gesetze unpräzise bleiben. Chinas Umweltbemühungen begannen in den siebziger Jahren mit dem nationalen Umweltschutzgesetz. 1992 war China das erste Land, das einen nationalen Plan für die Agenda 21 vorlegte. Das 2003 verabschiedete Gesetz zur Umweltfolgenabschätzung bewirkte eine stärkere Berücksichtigung der Umweltauswirkungen von Industrieprojekten. Die administrative Position des Umweltministeriums ist in den vergangenen zwei Jahrzehnten mehrfach aufgewertet worden. Die Führung von Präsident Hu Jintao verstärkte die Bemühungen unter den Slogans „nachhaltige Entwicklung“ und „karbonarme Wirtschaft“. Nun zählt nicht mehr nur wirtschaftliches Wachstum, sondern auch ein ausgeglichenes und nachhaltiges Wachstum wird angestrebt. Sogar ein „grünes Nationaleinkommen“ wurde einmal berechnet, um das ökologische Wachstum des Landes nachzuzeichnen.
Die Probleme sind weniger geworden. Energieverbrauch und Schadstoffemission haben sich in Relation zur Wirtschaftsleistung vermindert. Das Land hat sich zum größten Markt für Windenergie und Solarthermie gemausert. China ist der größte Fabrikant von Photovoltaik-Systemen. Erstmals hat China 2011 international verbindliche Ziele für seine Treibhausgase ab 2020 in Aussicht gestellt.
Doch die Verschmutzung ist nach wie vor massiv. 2007 schätzte eine Studie der Weltbank und des Umweltministeriums, dass Umweltverschmutzung für 750.000 verfrühte Sterbefälle verantwortlich ist. Eine wesentliche Ursache dafür ist die schwache Durchsetzung der Gesetze vor Ort. Die konkrete Umsetzung und Überprüfung obliegt den lokalen Umweltbüros, die häufig unterbesetzt sind. Diese unterstehen zwar dem Umweltministerium, sind finanziell jedoch von den Lokalregierungen abhängig. Daher vertreten sie häufig deren Interessen. Die haben aber Interesse an möglichst großen Steuereinnahmen und wirtschaftlichem Wachstum – erst seit wenigen Jahren beinhaltet die Bewertung lokaler Kader auch Umweltschutzbemühungen.
Die Umweltverschmutzung ist eine wesentliche Ursache ländlicher Konflikte in China. Schätzungsweise 50.000 (2005) größere und kleinere, friedliche und gewalttätige Umweltproteste gibt es jährlich. Weil den schwachen Betroffenen oft jeglicher Weg über das Rechtssystem verwehrt bleibt, sind häufig Proteste – auch mit Gewalt – die Folge. Einschätzungen, dies untergrabe die politische Stabilität des Landes, sind überzogen. Dennoch ist dies eine ernstzunehmende Tendenz.

Zivilgesellschaft in China
Chinas „grüne“ Zivilgesellschaft gewinnt an Bedeutung. Die Regierung hat im Umweltbereich den NRO einen verhältnismäßig freien Entwicklungsraum zugestanden, so dass sich hier eine starke Kraft herausgebildet hat. Seit den 1990er Jahren sprießen die NRO aus dem Boden. Etwa 770 „grüne“ zivilgesellschaftliche Organisationen gab es 2005; drei Jahre später waren es schon über 3.500. Diese sind meist auf die Hauptstadt Peking und größere Städte konzentriert. Der Staat behindert die Gründung zivilgesellschaftlicher Organisationen immer noch beträchtlich. Doch zugleich ist er auf deren Unterstützung angewiesen, wenn er die Umweltverschmutzung landesweit in den Griff bekommen will. Das Verhältnis zwischen Zentralstaat und Zivilgesellschaft fußt auf gegenseitiger Ergänzung, nicht auf Konfrontation. Ein Kuriosum auch in China sind sogenannte GONGOs – Government Organized NGOs – die von der Regierung gegründet werden, um „zivilgesellschaftlichen“ Anschein zu erregen oder Kosten zu sparen. Bekannte Umwelt-NROs sind „Global Village Beijing“, „Friends of Nature“ oder „Center for Legal Assistance to Pollution Victims”. Auch die Medien werden bei der Bekanntmachung von Umweltskandalen immer wichtiger.

Die Hauptdarsteller
Zhang Gongli ist ein einfacher Bauer des Dorfes Qiugang, dessen Acker verseucht und verbaut wurde. Er ist der Anführer des friedlichen Protestes gegen die Chemiefabrik Jiucailuo und der heimliche Held des Films. Ihm bleibt keine Wahl. „Ich habe Angst und das nicht ohne Grund. Ein Held möchte ich nicht sein. Doch es geht um meine Enkel und die nachfolgende Generation“, sagt der alte Zhang an einer Stelle. Trotz schlechter Bildung studierte der heute 60-Jährige Zhang selbst die Umweltgesetzgebung seines Landes. Nach dem erfolgreichen Protest in Qiugang begann Zhang als Teilzeitkraft bei Green Anhui zu arbeiten, um seine Erfahrungen mit den Bewohnern anderer Problemdörfer zu teilen und sie zu unterstützen.
Green Anhui ist eine NRO in der zentralchinesischen Provinz Anhui. Sie wurde 2003 gegründet und hat derzeit 9 Mitarbeiter und etwa 30 Volunteers. Ihr Ziel ist es durch Umweltschutzaktionen, öffentliche Bildung im Umweltbereich und politische Aktivitäten die nachhaltige Entwicklung in Anhui voranzutreiben. Die Projekte sind weit gestreut, ein besonderes Anliegen ist die Bekämpfung der Wasserverschmutzung. 2004 und 2011 erhielt Green Anhui den in China vergebenen „Ford-Umweltpreis“. 2006 kam die NRO das erste Mal nach Qiugang. Seit 2011 hat sie auch Umweltrechtler engagiert, um verstärkt zum Umweltrecht zu arbeiten. In sieben Dörfern konnte Green Anhui erfolgreich die Verschmutzung bekämpfen. Durch den Film ist die NRO wesentlich bekannter geworden. 60 Prozent der Spenden kommen aus China und 40 Prozent inzwischen aus dem Ausland.
Das Unternehmen „Anhui Jiucailuo“ tritt im Film als Verursacher der Verschmutzung in Erscheinung. 2003 kaufte das Unternehmen die Fabrik in Qiugang und baute sie aus. Sie war eine von drei Fabriken in dem Dorf. Nach der Demontage 2008 wurde die Jiucailuo-Fabrik in einen nahegelegenen Industriepark verlagert. Nach eigenen Angaben ist Jiucailuo in China (und teilweise sogar in Asien) der größte Hersteller einiger  bestimmter Pestizide und Chemikalien; so z.B. von Nitrobenzol- und Anilin-Verbindungen, die beide unterschiedliche Arten von Vergiftungen und Krebs beim Menschen hervorrufen können. Hauptproduktionsort ist die Industriestadt Bengbu, in deren Osten Qiugang liegt. Seine Produktionsanlagen seien mit modernsten Umwelttechnologien ausgestattet, behauptet das Unternehmen.

Die Umweltsituation 2012
Nach Schließung und Demontage der Fabrik hat sich die Umweltsituation in Qiugang wesentlich verbessert. Die Stadtregierung von Bengbu hat eine umfassende Kampagne zum Umweltschutz gestartet, wozu auch die Erneuerung des Abwassersystems mit einem Budget von 331 Millionen (RMB, ca. 39 Millionen Euro) gehört. In diesem Rahmen soll 2012 auch die Beseitigung der Fabrik-Überreste und die Wiederherstellung des örtlichen Ökosystems in Qiugang bewerkstelligt werden. Die Bewohner haben daher auf eine weitere gerichtliche Klage gegen Jiucailuo verzichtet.


Filmsprache
Der Film verzichtet auf einen Kommentar und setzt ganz auf die Aussagen und Interviews mit den Dorfbewohnern und Vertretern der Umweltorganisation Green Anhui. An wenigen Stellen veranschaulichen kurze Animations-Sequenzen die Genese und den Kontext des Konflikts. Die Filmemacher „sprechen“ nur durch wenige Texteinblendungen zum Zuschauer. Der Film begleitet die Dorfbewohner über einen längeren Zeitraum, wodurch wichtige Wendepunkte in ihrem letztlich erfolgreichen Widerstand direkt begleitet werden, so etwa die vorbereitende Versammlung und dann auch die Unterzeichnung der Petition durch die Dorfbewohner oder auch das Zusammentreffen zwischen Zhang Gongli und dem Pressesprecher der Fabrik. So wird der Film gewissermaßen zu einem Teil des Protestes und des Widerstands – dass dabei die Anwesenheit der Filmemacher teilweise wie ein Katalysator wirkt, wird z.B. da deutlich, wo eine Dorfbewohnerin die örtlichen Kader kritisiert und zugleich sagt, dass sie dies eigentlich nicht vor der Kamera äußern sollte.
Die Verursacher der Verschmutzung – die Dorfbeamten und die Fabrikbetreiber – bleiben hingegen weitgehend anonym. Sie werden nur indirekt durch Mauern, Abflussrohre und die Verschmutzung repräsentiert. Dies ist den politischen Einschränkungen geschuldet, denen sich die Filmemacher notwendiger anpassen mussten. Zugleich wird damit aber die „Unsichtbarkeit“ der Verursacher deutlich, auf die die Dorfbewohner tagtäglich treffen. Die einzige Ausnahme ist hier der Pressesprecher der Fabrik, von dem man den Eindruck gewinnen kann, dass er die Spielregeln einer „neuen Zeit“ insofern verstanden hat, dass er dazu bereit ist, seine Position auch öffentlich, d.h. in Anwesenheit der Filmemacher und auch vor der Kamera zu vertreten.
 

Die Filmemacher
Die chinesisch-amerikanische Regisseurin Ruby Yang und der Produzent Thomas Lennon sind ein eingespieltes Team. Mit ihren Filmen wollen sie Bewusstsein für soziale und ökologische Problemlagen in China schaffen. Zusammen gründeten sie 2003 das Chang Ai-Medienprojekt, um auf Aids in China aufmerksam zu machen. Ihre beiden früheren Dokumentarfilme „Das Blut im Jingzhou-Viertel“ und „Verliebte Tongzhi“ sind Filme mit einer deutlichen Botschaft an die Gesellschaft. Mit ersterem gewannen sie 2006 den Oscar in der Kategorie Kurzdokumentationen. Der Film "Die Kämpfer des Dorfes Qiugang" reiht sich damit in diese gesellschaftlichen Aktivitäten ein. Einfach war er nicht zu drehen. Yang und Lennon durften nicht zu sehr auffallen, um nicht zu viel Aufmerksamkeit bei den Kadern zu erregen. Und sie mussten die Dorfbewohner überzeugen, die vor der Kamera auch ein beträchtliches Risiko eingingen – doch ihre langjährige Filmarbeit in China half ihnen dabei, diese Hindernisse zu meistern.


Preise und Auszeichnungen
Short List für Oscar-Nominierung 2011 in der Kategorie Dokumentar-Kurzfilm
Nominierung für die IDA Documentary Awards 2011 (Best Short)
Newport Beach Film Festival 2011, Bester Kurzfilm

 

Pressestimmen
“Die Kombination von Interviews, Beobachtung und einigen Animationen wirft einen ebenso schonungslosen wie faszinierenden Blick auf Umfang und Bedeutung sozialer Proteste auf lokaler Ebene“
- A.O. Scott, The New York Times

„Einfach nur gewaltig. Ein visuell einfallsreicher und eloquenter Film” - LA Times

“…nutzt die Macht der Medien, um Wandel zu bewirken“ - Variety

“Der überraschendste und beste der fünf Kurz-Dokumentationen…Eine kinematographische Metapher für den Fortschritt der chinesischen Zivilisation und den Geist der Chinesen.“ - Film Journal

 

Didaktische Hinweise
Der Film eignet sich für die Sekundarstufe II (Politik, Geografie, Religion, Ethik) und für die Erwachsenenbildung.

Fragen und Vorschläge zum Gespräch

  • Die wichtigsten Fakten, die der Film vermittelt, lassen sich sowohl durch ein Gespräch im Anschluss an die Vorführung zusammentragen, oder aber, je nachdem in welchem Kontext der Film genutzt wird, auch durch ausführlichere Rechercheaufträge vor- bzw. nachbereiten. D
  • Dass ein Film wie dieser nicht einfach mit einem deutschen oder europäischen „Umweltfilm“ verglichen werden kann, darf hierzulande keineswegs vorausgesetzt, sondern sollte thematisiert werden; sei es durch eine Einführung, sei es durch eine nachträgliche Thematisierung.

Im Folgenden werden einige Fragen formuliert, die helfen können, den Inhalt des Filmes im Gespräch zu erschließen. Sie können aber auch als Anregungen für Rechercheaufträge oder Arbeitsaufträge für die Gruppenarbeit dienen.
Zum Problemkomplex Umweltverschmutzung:

  • Was sind die wichtigsten Ursachen der Umweltverschmutzung in China?
  • Seit wann gibt es diese Umweltverschmutzung und seit wann wird darüber in China öffentlich berichtet und debattiert?
  • Wie wirkt sich die im Film gezeigte Verschmutzung auf Mensch und Natur aus?
  • Welche anderen Umweltprobleme sind Ihnen aus China bekannt?
  • Wer sind die direkt Betroffenen? Wie genau kennen sie die Auswirkungen und wen machen sie dafür verantwortlich?
  • Wer profitiert von der Verschmutzung?
  • Welche Faktoren erschweren oder verhindern einen effektiven Umweltschutz in China? Lässt sich dies mit der frühen Phase des Umweltschutzes in Deutschland, bzw. Europa vergleichen?

Zur Thematik Zivilgesellschaft

  • Warum ist es so schwierig für die Dorfbewohner, sich zu wehren? Was hat sie bisher davon abgehalten, sich zu wehren?
  • Auf welche Rechte berufen sich die Dorfbewohner bei ihren Beschwerden und Protesten?
  • Welche „Protestkultur“ lässt dieser Film für China erkennen? Wie ist das bei uns?
  • Was ist unter „Zivilgesellschaft“ zu verstehen? Wie kann zivilgesellschaftliches Engagement dabei helfen, die im Film aufgezeigten Probleme zu lösen?
  • Welche Mittel wenden die Dorfbewohner an, um ihre Interessen durchzusetzen?
  • Welchen Gefahren setzen sich die Dorfbewohner bei ihren Protesten aus?
  • Ist der Bauer Zhang Gongli besonders mutig? Wie charakterisiert der Film durch die Wahl des Titels diese Aktivitäten?

Zu Chinas politischem System

  • Was hat die Zivilgesellschaft in China schon erreicht?
  • Welche Entwicklungsmöglichkeiten hat die Zivilgesellschaft in China zukünftig?
  • Wie ist die Gesetzeslage und wie steht es um die konkreten Verhältnisse vor Ort?
  • Wie ist das Verhältnis zwischen Zentralregierung und den Beamten auf lokaler Ebene?
  • Was bedeutet die Umweltverschmutzung für den sozialen Frieden?



Weitere Filme zum Thema
Still Life
Ein Film von Regie: Jia Zhang-ke, Hongkong, China 2006
108 Min., Spielfilm (Verleih: Delphi)

Ufo in her Eyes
Ein Film von Xiaolu Guo, China, Deutschland 2011
110 Min., Spielfilm (Bezug DVD: EZEF | Verleih Kino: Pandora Film)


Literatur und Links

  • Filmbeschreibung auf der Internetplattform des Projektes „Yale Environment 360“: http://e360.yale.edu/feature/the_warriors_of_qiugang_a_chinese_village_fights_back/2358/
  • Webseite zum Film: http://www.warriorsofqiugang.com/http://www.warriorsofqiugang.com
  • Themenschwerpunkt zu China in welt-sichten, Heft 4/2012, S. 12-33, Bezug u. nähere Infos: www.welt-sichten.org
  • Thomas Heberer, Jörg-M. Rudolph, China – Politik, Wirtschaft und Gesellschaft. Zwei alternative Sichten, Hrsg. Hessische Landeszentrale für politische Bildung, Wiesbaden 2010. Dieses Buch gibt eine allgemeine Einführung zu China.
  • Eva Sternfeld (2006): Umweltsituation und Umweltpolitik in China, in: Aus Politik und Zeitgeschichte, No. 49/2006
    http://www.bpb.de/apuz/29361/umweltsituation-und-umweltpolitik-in-china
  • Elizabeth C. Economy (2005): The River Runs Black (Ithaca, Cornell University Press). In diesem Klassiker zur chinesischen Umwelt bietet die Autorin ein umfassendes Bild der ökologischen Auswirkungen des wirtschaftlichen Wachstums. Darunter sind die Verschmutzung des Huai-Flusses, die Umweltpolitik der Zentralregierung, zivilgesellschaftliche Partizipation und internationale Unterstützung.
  • Bryan Tilt (2009): The Struggle for Sustainability in Rural China: Environmental Values and Civil Society (New York: Columbia University Press).Dieses Buch zeigt die Umweltprobleme im ländlichen China und den Widerstand der Zivilgesellschaft auf.
  • China-Materialien des Asienhauses: http://www.asienhaus.de/china
  • Hinweise zu weiteren chinesischen Filmen:
    http://www.asienhaus.de/public/archiv/china-filme080708.pdf


 

Autor: Jost Wübbeke